
Muss es immer das Neuste sein?
Als Jungjäger sieht man sich zahlreichen Herausforderungen gegenüber. Du musst Zeit und Geld für den Kurs aufbringen und einen kniffligen Prüfungsparcours meistern – kein Wunder, dass der Jagdschein auch als „grünes Abitur“ bekannt ist. Irgendwann stellt sich die entscheidende Frage: Welche Waffe soll es sein? Neben all den anderen Sachen ist das oft die kostspieligste Anschaffung.
Wenn du also darüber nachdenkst deine erste Büchse anzuschaffen, solltest du dir die Frage stellen: Was ist wirklich wichtig? Ist es der Hype um die neuesten Technologien oder die bewährte Leistung eines klassischen Modells, was dir Sicherheit und Vertrauen auf der Jagd bietet? Brauche ich wirklich nie endende Diskussionen um „Geradezugrepetierer vs. klassischer Repetierer“ oder Kaliberdiskussionen? Eines ist sicher: Die nächste, „tollste und noch bessere“ Büchse wird kommen… bist du dann auch wieder am Start? Wollen wir Jäger sein oder die neuste Technik jagen?
Die Auswahl ist schier überwältigend. Hersteller und Händler bemühen sich ihre Produkte zu platzieren. Namen und Bezeichnungen die Erfolg und Effizienz versprechen wetteifern um unsere Gunst: Schließlich gilt es, die „wilde Natur da draußen“ - also die vom Menschen geformte Kulturlandschaft - zu bezwingen. Nur wer das richtige Gerät zur Hand hat, kann als erfolgreicher Jäger bestehen! Der neuste Pitch von Steyr ist z.B. die „Steyr Gams“, eine aufgemotzte CL II für über 4000€. Mauser hat mit der M25 „endlich“ auch einen Geradezugrepetierer – der zugegeben wirklich gut geworden ist.
Vor meinem Jagdschein war ich schon Sportschütze und hatte somit etwas Vorlaufzeit um mich waffentechnisch vorzubereiten. Meine erste Büchse war eine SM12 SX in .308. Ein Handspanner. Es schießt super präzise, eignet sich auch für weitere Distanzen und begeistert mich mit seinem speziellen äußeren Laufprofil. Bis auf den frz. Stecher ist es frei von Schnickschnack und Gedöns. Schalldämpfer, Nachtsicht, alles da. Aber…
Der Einstieg in die Holzklasse
Schließlich wollte ich eine weitere Waffe erwerben und besuchte meinen Büchsenmacher. Er schaute etwas skeptisch, denn Steyr wird dort selten nachgefragt; schon gar keine Gebrauchten. Er hätte da aber noch was. Er präsentierte mir eine leicht verstaubte Lady im Kaliber 7x64. Habe mich innerhalb von Sekunden entschieden: Astrid!
Der Name stammt tatsächlich von der Vorbesitzerin, einer Jägerin. Astrid, die Büchse, ist 1976 erstgestempelt und damit etwas älter als ich. Mit ihr sitze ich gerne auf dem Ansitz, beobachte den Sonnenauf- oder Untergang und lausche Astrids stummen Jagdgeschichten aus längst vergangenen Jahren. Mir gefällt der Gedanke einfach ein Stück Tradition und gelebte Jagd in den Händen zu halten und hoffe natürlich sehr, dass meine Töchter diese Büchse irgendwann führen werden. Bisschen esoterisch? Ja!
Die Büchse
STEYR - Mannlicher – Mod. M (M steht für mittlere Kaliber; es gibt auch SL, L, M und S), Kaliber 7x64, Halbschaft, Hartholzabschluss, dt. Stecher, deutsche Backe, Beschuss 1976. Glas ZEISS Diavari 2,5-10x52 auf Suhler Einhakmontage.

Es handelt sich um alte Technik die einfach und verlässlich funktioniert: Die Waffe besitzt eine Schiebesicherung, welche den Schlagbolzen blockiert. Im gesicherten Zustand lässt sich die Kammer nicht öffnen. Die Waffe verriegelt mittels 3 Doppelwarzen, der Öffnungswinkel beträgt 90 Grad. Die Sicherung ist leise zu bedienen, und der Ladezustand kann auch im Dunkeln geprüft werden“, da der Schlagbolzen im gespannten Zustand sicht- und fühlbar ist. Um die Waffe zu entspannen, führt man den Verschluss nach vorne und betätigt dabei den Abzug. Das fünf Schuss Trommelmagazin funktioniert tadellos und muss, anders als bei den älteren Mannlicher-Schönauer Systemen, zum Laden entnommen werden.

Der immer wieder erwähnte Schlossgang von Waffen aus dem Haus Steyr ist auch hier tadellos, geht sauber und es hakelt oder kratzt nichts. An den Schlossgang einer älteren Mannlicher-Schönauer kommt er nicht ganz heran; da ist der Kammerstengelgriff aber auch mittig platziert. Dies führt dazu, dass die Schubkräfte gleichmäßiger auf den ganzen Verschluss verteilt werden, während bei hinten montierten Kammerstengeln dieser dann mehr Druck von der Seite bekommen kann.

Fazit
Astrid war einst ein Arbeitsgerät und ist es auch heute noch. In der Bedienungsanleitung schreibt Steyr: „Sie wird ein Jägerleben lang halten und auch kommenden Generationen Zeugnis von heutiger Waffentechnik abgeben“. Fast 50 Jahre später hat das Holz ein paar kleine Macken, die Brünierung ist nicht mehr perfekt, und der Riemen musste ersetzt werden. Das war´s!

Das Glas ist genauso alt wie die Waffe und hat Absehen 4 in der ersten Bildebene. Das Glas mag nicht mit den aktuellen Tabellenwerten neuerer Gläser mithalten, doch ich halte eh nicht viel vom „letzten Büchsenlicht“ und Nachtsichttechnik kommt einfach nicht drauf.
Die Patrone 7x64 ist fast so gut verfügbar wie etwa die .308; auch bleifrei ist kein Problem. 3er Gruppen zu 3cm, machbar!
Dieses wunderbare Stück Waffen- und Jagdgeschichte konnte ich im Sommer 2024 für 700€ erwerben; je nach Erhaltungszustand und montiertem Glas zahlt man im Netz auch bis knapp 1000€ für sowas. Denkt mal drüber nach ;-)

Waidmannsheil!
AS I waldsucht
Disclaimer: Ich bin Jäger, ich fotografiere selbst und schreibe gern. Teile Gedanken und Erfahrungen. Das mache ich alleine, ohne Firmenzugehörigkeit. Ich kaufe und verkaufe nichts.