Um es gleich zu sagen: Jacken sind bei mir Verschleißware. Ich bin passionierter Hundeführer und trage meine Ausrüstung viele Einsatztage im Jahr. Dabei lerne ich so ziemlich jede Schwäche meiner Ausrüstung kennen und weiß daher: Irgendwann stirbt auch die beste Jacke.

Grundsätzlich suche ich – wie wohl jeder Hundeführer – nach der Eierlegendenwollmilchsau in Punkto Jacke. Toll wäre eine, die sommers wie winters getragen werden kann, unter der man nicht schwitzt und bei Regen und von außen und bei Wärme von innen trocken bleibt. Dazu sollte die Jacke nicht zu teuer sein und am besten ewig halten. Klar ist: Das gibt’s einfach nicht! Ich fahre deshalb schon einige Jahre eine Zwei-Jacken-Strategie: Eine für den Sommer bzw. warme Tage und eine für den Rest! Die Swedteam Nicco ist definitiv eine für den Rest, wobei sie selbst sich vermutlich nicht entscheiden konnte. Später mehr dazu.


Mein Anforderungsprofil

Auf realistische Anforderungen reduziert und jenseits träumerischer Hirngespinste, sieht mein Anforderungsprofil an eine Hundeführerjacke so aus:

- Ganz oben steht Robustheit! Die Jacke muss vom Material (vor allem den Nähten) so robust sein, dass sie dornendicht ist und auch möglichst lange keine Risse oder aufgetrennten Nähte zeigt.

- Sichtbarkeit ist mir gleichermaßen wichtig. Dabei geht es mir nicht um bloße UVV-Konformität, sondern eine wirklich gute Sichtbarkeit. Das ist u.U. lebenswichtig für mich.

- Viele Taschen, die die zahllosen Utensilien beherbergen, die ich notwendigerweise mitschleppe, sind mir wichtig. Da schwört natürlich jeder Hundeführer seinen eigenen Meineid, aber für mich persönlich haben sich als wichtig erwiesen: Eine sichere und trockene Dokumententasche für Jagdschein und Ausweis. Wo die sitzt, ist mir im Grunde egal, aber ich muss mich störungsfrei bücken können. Eine Tasche fürs Garmin, an die ich schnell kommen muss. Eine Tasche für Markierband. Eine Tasche für Munition, gerne mit Schlaufen für die Patronen. Dann möchte ich auf jeden Fall immer eine Hasentasche haben, für Leinen, Halsungen, Bergehilfe etc. Natürlich schleppe ich auch ein Handy mit, das ebenfalls trocken und sicher verstaut sein sollte. Verbandspäckchen stecke ich auch immer ein, aber das ist so klein (Forstpack), dass ich das immer irgendwo unterkriege. Nach vielen Jahren ist man natürlich ein kleiner Autist bei der Ausrüstung und möchte gerne immer an die selbe Stelle greifen, um einen bestimmten Ausrüstungsgegenstand zu finden. Deshalb kommen für mich immer nur Jacken in Frage, die die genannte Taschenkombination bieten.

- Regen- und winddicht sollte eine Jacke schon einigermaßen sein. Man kühlt einfach zu schnell aus, wenn man im Herbst oder Winter den ganzen Tag im Regen unterwegs ist. Bei einer Jacke für den Sommer, ist mir das dagegen überhaupt nicht wichtig.


Das bietet die Swedteam Nicco

Swedteam schreibt, dass die Jacke „in enger Zusammenarbeit mit Hundeführern“ entwickelt worden sei. Regen- und Winddichtigkeit bei gleichzeitig hoher Atmungsaktivität sind schon mal positive Attribute der Beschreibung. Ich habe die Jacke für knapp über 240 EUR online gekauft. Die UVP liegt bei über 300 EUR.

Beim Auspacken der Swedteam Nicco fiel mir sofort sehr positiv die Zweifarbigkeit auf (neon gelbe Schultern und neonoranger Korpus), die mit den umlaufenden Reflektorstreifen zusammen eine sehr gute Sichtbarkeit verspricht. Die Reißverschlüsse und Nähte (darauf gucke ich aus leidvoller Erfahrung immer genau) machen einen sehr wertigen Eindruck, wobei ich bei der Nahtverarbeitung lediglich Einfachnähte bemerkt habe. Der Schnitt und die Taschen sind funktional gewählt. Beim Griff in die Taschen (seitlich) stelle ich sogar luxuriöse Fleeceverwendung fest. Das könnte ein Traum an kalten Tagen sein. Auch der Fleece, der den Kragen unterlegt, ist ein Traum. So bleibt nicht jede Bartstoppel hängen und entzündet sich.

Erster Eindruck: Gute Sichtbarkeit, leicht und wertiger Gesamteindruck

Angenehm stechen auch die breiten Gürtelschlaufen ins Auge. Die müssen für mich zwar nicht zwangsläufig an einer Hundeführerjacke sein, aber ich nutze sie ganz gerne, weil ich immer eine breite Koppel trage, an der das Abfangmesser hängt.

Schick aber etwas rätselhaft sind dagegen die zwei leichten Karabinerhaken, die vorne an der Jacke baumeln. Ob ich da tatsächlich mal eine Leine mit Hund dranmachen sollte? Wirklich stabil sieht das Ganze nicht aus. Egal, rein optisch versprechen die Dinger erstmal Funktionalität und einen tieferen Sinn (wofür auch immer). Ich werde mal einen kalten Winterabend nutzen, um den Hersteller eine Anfrage dazu zu schreiben.

Die Jacke von Swedteam hat diverse Kordelzüge, die helfen können, die Jacke körpernäher zu schließen. Zusammen mit der Leichtigkeit (und dennoch robusten Ausstrahlung) des Kunstfasergewebes macht das Ganze erstmal einen überlegten und qualitativ wertigen Eindruck auf mich.


Die Swedteam Nicco im Einsatz

Ich habe die Nicco Hundeführerjacke auf bisher 80 Einsätzen bei einem Temperaturspektrum von spätsommerlichen 22 Grad bis hin zu winterlichen -4 Grad getragen. Dazu gab es von Sonnenschein bis Starkregen und Schnee das gesamte Spektrum an Feuchtigkeit von außen und innen.

Positiv ist bisher, dass die Jacke ihre sehr gute Sichtbarkeit in der Praxis tatsächlich auch einigermaßen behält. Ich habe die Jacke mittlerweile 4 mal gewaschen, weil Schweiß (jagdfachsprachlich) und Schweiß (umgangssprachlich) ihr doch etwas zugesetzt hatten und sich irgendwie eine Aroma zwischen rauschiger Keiler und brunftiger Hirsch eingestellt hatte. Die Leuchtwirkung ist nach wie vor gut, wenn sie auch etwas nachgelassen hat (siehe Fotos). Auch die Reflektorstreifen sind noch dran, womit ich offen gestanden niemals gerechnet hätte.

Die Leuchtkraft ist natürlich etwas verschwunden, der erste RV kaputt, aber...
... insgesamt ist die Jacke noch recht gut in Schuss. Die Hasentasche hätte breiter gedurft.

Der Schnitt ist angenehm und überwiegend funktional. Wichtig ist ja, dass der Popo nicht freihängt, wenn man sich bückt (Tannennadeln kommen schon genug über den Kragen rein) und das Hinterteil der Nicco ist schön lang. Allgemein hat man eine gute Beweglichkeit in der Jacke. Bei Gehen, Kriechen und Schießen! Sogar die – in meinen Augen sinnbefreiten Reißverschlüsse für die Ärmel – behindern nicht. Wobei ich immer noch rätsel, bei welcher Gelegenheit ich die Ärmel wirklich abzippen sollte?! Bei Strandjagden? Oder abends vorm Ofen? Andererseits könnten dann meine kalkweißen Oberarme die Sichtbarkeit bis auf Blendniveau heben… Jedenfalls sind die Dinger nach einem Einsatz manchmal etwas geöffnet. Ich hätte an Stelle von Swedteam auf die Dinger verzichtet.Vermutlich sollen sie einfach eine Vier-Jahreszeiten-Jacke andeuten.

Dornen- und winddicht ist die Hundeführerjacke! Da gibt es nichts zu meckern. Die Atmungsaktivität löst die Nicco auch ein. Das Display vom Garmin ist immer nass vom Wasserdampf (ob das ein Pro oder ein Contra ist, überlege ich noch). Bei kalten Temperaturen muss man aber auf jeden Fall was Warmes drunterziehen.

Negativ fiel dagegen auf, dass die Swedteam Nicco NICHT regendicht ist. Zugegeben, bei Starkregen stoßen alle Jacken an ihre Grenzen, aber bei der Nicco würde ich eher „stark regenabweisend“ dranschreiben. Dass selbst der in einem Plastikbeutel gesicherte Jagdschein klitschnass ist, darf eigentlich nicht sein.

Ein nicht hochdramatischer, aber ärgerlicher Punkt ist, dass die Schlaufen für die Patronen zu groß sind. Ich verstehe einfach nicht, warum das sein muss?! Hätte der Hersteller sich auch nur bei der Bemessung an 7er Kalibern orientiert, hätte alles gepasst. Meine 8mm Patronen rutschen aber durch und auch die 9mm sind „zu klein“. Das nervt mich schon, wenn die Patronen in meiner Tasche klötern und die Geschossköpfe angehauen werden. Für Schrote sind die Dinger wiederum zu klein.

Was mich dagegen schon ein wenig wundert, ist, dass eine Hundeführerjacke nicht eine vernünftige Tasche fürs Garmin-Handgerät bietet. Vermutlich hatte Swedteam ältere Geräte vor Augen, aber das Atemos 100 ist nicht wirklich gut zu verstauen.

Eine weitere Taschenkritik ist, dass die Handytasche (ist eine Innentasche) nicht zugemacht werden kann.

Eine wirklich verwunderliche Sache ist die ebenfalls innen liegende Verbandstasche. Die ist zwar mit einem roten Kreuz gekennzeichnet, ab er eben innen. Nun muss man sich kurz vor Augen führen, warum ein Hundeführer überhaupt Verbandszeug mitnimmt: Entweder will er seinen Hund, sich selbst oder andere damit verbinden. In diesen Fällen weiß der Hundeführer ja, wo er das Verbandszeug hat und braucht kein rotes Kreuz auf der Tasche. Der wesentlich wichtigere Fall ist aber, dass ein Ersthelfer dem verletzten Hundeführer helfen möchte und dann nach dem Verbandszeug suchen muss. Da ist dann eine Innentasche wirklich ungünstig. Andere Hersteller machen es vor und so finde ich es auch sehr sinnvoll: Das Verbandszeug muss von außen zugänglich und markiert sein.

Ein Punkt, der für mich gar nicht geht, ist, dass ein Reißverschluss sich bereits an der Naht gelöst hat (siehe Bilder). Das ist ein klarer Verarbeitungsmangel, der in dieser Preisklasse eigentlich nicht auftreten sollte. Auch die ein oder andere Naht außen ist schon angezählt, hält aber bisher noch gut. Hiermit steht und fällt für mich die Qualität einer Jacke. Wenn die Saison ganz durch ist, werde ich es sehen.

Die Nähte sind besser als sie auf den ersten Blick aussehen.

Wenn ich nach der Hasentasche greife, fällt mir auf, dass diese breiter hätte geschnitten werden müssen. Man muss den großen Brustmuskel schon gut dehnen, um bei der Nicco problemlos an die Reißverschlüsse hinten zu kommen. Das muss wohl ein angehender Schlangenmensch geschnitten haben.


Fazit

Die Swedteam Nicco Hundeführerjacke ist in weiten Teilen eine gute und durchdachte Jacke. Taschenzahl und Schnitt (mit der erwähnten Ausnahme hinten) sind sehr gut. Die aufgezählten Schwächen machen die Nicco in meinen Augen gerade noch akzeptabel für ambitioniertere Hundeführer, mit einer eher mäßigen bis mittleren Zahl an Einsätzen oder bequemeren Wetter- und Landschaftverhältnissen. Wer weiß, dass er oder sie viel in Windwurfflächen und Dornenverhauen arbeiten muss, sollte vorsichtig sein. Eine gute Wahl dürfte sie dagegen für Vorstehhundeführer sein, die viele Treibjagden/Feldstreifen laufen oder Stöberhundführer, die vom Stand schnallen bzw. nur auf Rückegassen gehen. Hardcoredurchgeher und Nachsuchenführer, die es ernst meinen und mit Hang zur Selbstkasteiung, werden ähnliche Schwächen an der Jacke finden wie ich.

Ob dafür der aufgerufene Preis gerechtfertigt ist? Für mich leider nicht. Im Preissegment um 200 EUR gibt es einige Mitbewerber, die Gleiches oder sogar mehr können. In der Gesamtabwägung würde ich eine wohlwollende 2,7 (befriedigend mit Sonnenschein) vergeben, obwohl die mangelhafte Regendichtigkeit eigentlich ein Ausschlusskriterium ist. Habe ich hier evtl. ein Montagsmodell gekauft?

Es bleibt die Frage nach dem Sinn der Karabinerhaken und der abzippbaren Ärmel. Ich hatte damit geliebäugelt, mal eine Feldflasche dranzuhängen (einfach nur so), aber damit verzog sich die Jacke sehr unangenehm. Dann habe ich ganz vorsichtig einen Terrier (einen ganz kleinen) drangemacht (nach der Jagd) und siehe da: Es hält! Der Zugpunkt ist zwar bescheiden, aber es hält! Eine Bracke wollte ich dann aber lieber nicht mehr dran testen. Meine Frau hat leider (oder zum Glück) verhindert, dass ich mich an den Dingern mal an einer Steilwand abseile. Das wäre evtl. auch noch eine coole Funktion gewesen.

Die Ärmel habe ich mal aus Spaß abgezippt, aber ein Blick in den Spiegel sagte mir schnell, dass das super peinlich aussieht. Und ich bin nicht eitel. Ein Bauhelm dazu und man sieht aus wie das deppertste Mitglied der Villagepeople-Coverband.

Gerade als ich die Ärmel wieder anzippen wollte, traf mich aber wie ein Blitz die Erkenntnis, die den Kreis schloss: Die abgezippten Ärmel gehören an die Karabinerhaken! ;-)