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Wer viel pirscht, sieht viel.
Wer viel sitzt, schießt viel.
Sprüche wie diese hat wohl jeder Jungjäger schonmal gehört und wenngleich das Pirschen als die Königsdisziplin der Jagd gesehen wird, ist es in vielen Revieren doch eher verpönt oder wird schlichtweg vom Jagdherren verboten. Manchmal gibt es dafür gute Gründe wie ungeeignete topographische Verhältnisse (sprich ein Mangel an Kugelfang) oder eben ein hoher Besucherdruck, der gerade in stadtnahen Revieren in den letzten Jahren enorm zugenommen hat.
Oft ist es aber auch ein Mangel an Erfahrung und ein fehlendes Schauen über den Tellerand (oder in diesem Fall den großen Teich), um zu sehen, welche Möglichkeiten die moderne Pirsch für die effektive Bejagung eines Revier bieten kann.
Definition: Pirsch
Dabei gilt es recht grundsätzlich zu unterscheiden, dass es zwei Arten der Pirschjagd gibt.
Die eine, deutlich ältere und, wenn man so möchte, der traditionellen Definition von Waidgerechtigkeit folgt, ist das Pirschen durch den Wald und die Einstände des Wildes, die Waffe im Anschlag. Bewegung im Zeitlupentempo, immer gegen den Wind um das Stück dann aus kurzen Entfernungen von 70m und weniger zu erlegen. Diese Art der Jagd erfordert viel Training, extrem scharfe Sinne und führt einen zurück in die Anfänge der Jagd und echter Waidgerechtigkeit - nämlich dem Wild eine Chance zu lassen.
Die andere Form der Pirsch, um die es hier heute gehen soll, ist die Jagd vom stabilen Pirschstock aus, auf eher weitere Distanzen, meist jenseits der 70m, die zumindest für Rehwild oft die maximale Annäherungsdiszanz bilden, bevor es spätestens abspringt.
Der Autor ist in einem großen Privatwaldbetrieb mit hoher Borkenkäferkalamität für das Rehwildmanagment zuständig und erlegt mit der eben genannten Methode seit Jahren Rehwild im hohen zweistelligen Bereich. Die Schussdistanzen variieren dabei zwischen 20m und über 200m, je nach Notwendigkeit und Verhältnissen. 99% der Abschüsse erfolgen dabei auf der Pirsch, vom Pirschstock, mit einer Durchschnittsdistanz von ca. 150m. Das funktioniert nur über die frühzeitige Detektion des Wildes mit Wärmebildtechnik und die Möglichkeit, auf genannte Distanzen aus jeder Position einen sichern Schuss anbringen zu können. Hier kommt der Pirschstock ins Spiel.

Angefangen vom Haselstecken, zum allseits bekannten Primos Trigger Stick in seinen verschiedenen Variationen, diversen Vierbeinen hin zu den neu aufkommenden Dreibeinen aus den USA, die die Büchse mit einer festen Klemmung mit dem Pirschstock verbinden und das Maximum an Stabilität und Flexibilität bieten, gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten.
Die Anfänge dieser Dreibeine liegt dabei im fotografischen Bereich, wurden dann jedoch vor allem von amerikanischen Scharfschützen modifiziert und in den Kriegen im Irak und Afghanistan eingesetzt. Von dort fanden sie ihren Weg in das sportliche PRS-Schießen und sind seit kurzer Zeit auch bei uns in Deutschland erhältlich.
Wolfkrieger Yggdrasil
Das hier gezeigte Modell ‚Yggdrasil‘ von Wolfskrieger ist eines dieser neuen Modelle und soll hier im Detail vorgestellt werden. Der Yggdrasil ist dabei schon eine Klasse für sich. Er wiegt knapp unter 3Kg und lässt sich bis auf eine Höhe von 180cm ausfahren, was nicht für für große Schützen von Vorteil ist. Seine Besonderheit liegt auch im Design: statt wie alle sonstigen Dreibeine, deren DNA sich auf die Foto-Stative zurückverfolgen lässt, besitzt dieser Tripod (wie sie im englischen Sprachgebrauch heißen) nur ein einziges Bein-Gelenk. Vorteil: weniger bewegliche Teile, weniger Spiel, mehr Stabilität.

Eine weitere Besonderheit: massive 44mm Beine, die ebenfalls zur statischen Stabilität des Tripods beitragen. Einmal auf die richtige Länge eingestellt und die Büchse entweder via (ebenfalls aus dem Fotobereich kommende) ARCA-Swiss Direktmontage in den Kugelkopf eingeklemmt (oder alternativ via einer im Zubehör erhältlichen U-Klemme von z.B. Hog-Saddle oder deren Nachbauten), steht der Yggdrasil samt Büchse wie die sprichwörtliche Deutsche Eiche im Wald.
Dabei gibt es bei den Pirschstöcken eine klare Inklination der Reichweite in Relation zum Durchmesser der Beine: ein dünner, schöner, traditioneller Haselstecken steht natürlich nicht so stabil wie ein 3KG Dreibein, an dem man auch ohne Probleme den Lebenskeiler aufhängen und aufbrechen kann.
Jagdliche Einsatzmöglichkeiten und mögliche Schussdistanzen
Der Autor jagt in einem typischen Mittelgebirgsrevier auf einer Höhenlage von ca. 350m mit einer stark reliefierten Geländestruktur. Schüsse in Hanglage kommen dabei sehr häufig vor, denn nicht immer lässt es sich vom Weg aus schießen bzw. kommt man nah genug an das Stück heran.

Manchmal steht man dabei parallel zum Hang, manchmal gehen die Schüsse den Berg herauf oder herunter. Hier spielt das Yggdrasil seine Vorteile aus: Durch den großen Verstellbereich des Kugelkopfs kann man die Büchse wieder in die waagerechte Position bringen, obwohl das Dreibein an sich eigentlich schief im Hang steht. Und wenn genug Zeit ist: ein Dreh am Beingelenk, das talwärts gerichtete Bein ausgezogen und die Büchse steht nach Ausrichtung des Kugelkopfs absolut stabil und waagerecht in Blickrichtung Ziel. Mit ein bisschen motorischer Übung steht man dann, unabhängig von Untergund, nahezu wackelfrei. Stabiler ist nur noch das Schießen im Liegen - aber dabei gibt es oft das Problem, dass die Vegetation im Weg ist und man überhaupt keinen freien Blick auf das Stück bekommt. Aber auch dies ist theoretisch mit dem Yggdrasil möglich, da sich die Beine auf bis fast 90° abklappen lassen. Da an den Büchsen des Autors aber immer auch ein Zweibein montiert ist, musste dieses Feature noch nie ausprobiert werden. Und ein Zweibein samt Waffe im Liegendanschlag zu korrigieren ist dann natürlich einfacher, als wenn 3KG Dreibein auch noch bewegt werden müssen.

Die folgenden Werte sind die Distanzen, aus denen sich nach Erfahrung des Autors (der sich durch die gesamte Evolution von Pirschstöcken geschossen hat) frei stehend, unabhängig von Gelände und Untergrund, SICHERE Schüsse auf Rehwild (andere Wildart, andere Kamergrößere, entsprechend andere Distanzen) anbringen lassen - und nur um die soll es hier heute gehen. Es geht schließlich um den Schuss auf ein Lebewesen und da sollte es keine Zweifel bei der Schussabgabe geben. Ist die ‚wobblezone‘, also der Bereich, in dem sich das Absehen auf der lethalen Zone des Stückes bewegt, größer als eben jene, bleibt der Finger gerade.
- Haselstecken: 50m
- Primos Trigger Stick Monopod: 60m
- Primos Trigger Stick Dreibein: 120m
- Dreibein 30mm Beine: 150m
- Vierbein, z.B. Blaser / Seeland: 150m
- Dreibein 40mm Beine, z.B. Innorel RT90: 220m
- Wolfskrieger Yggdrasil: 250m+
Alle Angaben variieren natürlich in Abhängigkeit vom Schützen / der Schützin, Untergrund, Schussposition und seinen / ihren Fähigkeiten und der Vertrautheit mit dem System. Denn, frei nach Schopenhauer: Präzision ist nicht alles, aber ohne Präzision ist alles nichts. Ein Schussbild von unter 3cm auf 100m ist dabei Voraussetzung für die oben genannten Distanzen.

Die großen, möglichen Distanzen, in denen man mit dem Yggdrasil bewegen kann, erkauft man sich natürlich mit den fast 3Kg Gewicht zusätzlichen Gewicht, die man mit sich auf der Pirsch herum und gegebenenfalls die Berge hochschleppen muss. Da muss jede Schützin und jeder Schütze für sich selbst entscheiden, in welchen Distanzbereichen man selbst jagen will (und kann). Das erweiterte Kenntnisse in Sachen Außen- und Terminalballistik vorliegen sollten, erklärt sich bei solchen Distanzen jenseits der GEE von selbst.
Verarbeitung / Preis:
Zur Verarbeitung kann hier nicht viel gesagt werden, außer, dass sie absolut erstklassig ist, was man bei dem Preis aber auch erwarten darf. Den Yggdrasil bekommt man demnächst für 799€ bei brownells Deutschland - ein stolzer Preis, der aber trotzdem noch unter den Modellen von Vortex und 2VetsTripods liegt, den amerikanischen Platzhirschen am Tripodmarkt.
Der Kugekkopf sitzt dabei direkt auf dem Dreibein und bewegt sich absolut leichtgängig und lässt sich mithilfe des Klemmhebels sehr schnell & stressresistent in der gewünschten Position festklemmen. Die ARCA-Klemmung, also die Schnittstelle zur Büchse, erfolgt nicht wie meist bei Fotomodellen mittels einer Rändelschraube, sondern über eine Klemung via Klemmhebel, die bombenfest arretiert.

Das bisher vom Autor benutzte Dreibein von Innorel kostet zusammen mit dem Kugelkopf immerhin auch noch 450€, kommt allerdings auch serienmäßig mit einer Schulterstütze, die es einem erlaubt, das Dreibein samt Waffe auf der Schulter zu tragen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, gerade bei der nächtlichen Schwarzwildjagd, wenn man sich dem Wild annähern will und dann nicht noch groß mit der Waffe herumhantieren will. So setzt man die Kombi einfach ab, geht hinter die Büchse und ist sofort schussbereit. Das funktioniert natürlich nicht nur bei Nacht und nicht nur auf Schwarzwild, jedoch sollte man dieses Vorgehen aufgrund der gewöhnungsbedürftigen Optik mit Augenmaß im Revier einsetzen und vielleicht nicht gerade Nachmittags am Ostersonntag so durchs Revier pirschen.
Der hier geteste Yggdrasil ist noch ein Vorserienmodell, bei dem ein solcher Schultergurt noch fehlt. Das Tragen auf der Schulter ist möglich, ist aber auf Dauer eher unangenehm. Man kann es zwar durchleiden, aber wie ein bekannter deutscher Schießausbilder mal sagte: ‚Leiden ist keine Qualität. Leiden kann jedes Hausschwein’ und so soll das Serienmodell dann auch mit einem solchen Schulterriemen ausgestattet sein.
Fazit:
Für den Autor gehört der Yggdrasil zum derzeit Besten, was der Dreibeinmarkt zu bieten hat. Funktionalität und Verarbeitung sind auf allerhöchstem Niveau, bei einem angemessenen Preis. Ob man die Stabilitätsreserven braucht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Das AHA-Erlebnis auf Pirschkursen, wenn Jägerinnen und Jäger mit einem solchen Dreibein mal im Revier standen und die Stabilität im Anschlag gesehen haben, ist jedoch immer wieder groß.
Auf dem Geartester Festival 2025 bietet der Autor mit der ‚Precision Hunter School‘ Pirschseminare an, die u.a. das Pirschen und die Einsatzmöglichkeiten von Pirschstöcken wie dem Yggdrasil zum Inhalt haben. Der hier getestete Yggdrasil entspringt noch einer Vorserienreihe wurde von Levke Johannsen von der Reimer Johannsen GmbH für Testzwecke zur Verfügung gestellt und musste weinenden Auges wieder zurück gegeben werden ;-) Das reguläre Modell hat entsprechend rote Klemmen und Verstelleinheiten.