Sogenannte taktische Zielfernrohre, also Optiken, die ein ballistisches Absehen sowie schnell bedienbare Höhen- und Seitenverstellung aufweisen, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Im Schießsport, vor allem im Long Range-Bereich schon lange vertreten, werden sie in Europa nun auch immer häufiger bei der Jagd eingesetzt. Bei der Berg- und Feldjagd auf Schalenwild oder der Bejagung des Raubwilds an der Feld- bzw. Waldkante spielen diese Optiken ihre Stärken aus. Die Vorteile gegenüber klassischen Jagdoptiken liegen hierbei auf der Hand: Zum einen ermöglicht eine höhere Vergrößerung ein besseres Ansprechen des Wildes/Ziels. Zum anderen kann der Geschossabfall genau kompensiert werden und lässt präzise Schüsse zu, ohne dass man sich auf die GEE oder wages Anhalten verlassen muss. Eines dieser Zielfernrohre ist das Vortex Viper PST Gen II 5-25x50 MRAD FFP - ein Mittelklasseglas, das für Schießsport und Jagd gleichermaßen geeignet ist und das ich nun seit 1,5 Jahren nutze. Dieses möchte ich im Folgenden vorstellen.

Vortex Viper PST Gen II 5-25x50 MRAD FFP auf einer Bergara B-14 HMR.

Der Inhalt meiner Rezension soll zum einen die technischen Daten und Eigenschaften, die Handhabung sowie meine persönliche Erfahrung mit diesem Produkt umfassen. Der Schwerpunkt meiner Betrachtung liegt dabei auf dem jagdlichen Einsatz dieser Optik.



Technische Daten

(Quelle: https://www.vortexoptik.de/vortex-viper-pst-gen-ii-5-25x50-mrad-ffp/)

Entschlüsseln wir zuerst einmal den Namen des ZFs des amerikanischen Herstellers Vortex Optics. PST steht hier für „Precision Shooting/Tactical Riflescope“, Gen II für die zweite und verbesserte Generation dieser Serie, MRAD für die Maßeinheit, auf der das Absehen aufgebaut ist, und FFP für „front focal plane“ - das Absehen befindet sich also in der 1. Bildebene. (Wer mit diesem Begriff nichts anfangen kann, dem empfehle ich folgende Seite: https://www.leupold.com/leupold-core/core-knowledge/articles/front-focal-plane-optics-vs-rear-focal-plane-optics)

Mit einem Mittelrohrdurchmesser von 30mm und einem Vergrößerungsbereich von 5 bis 25fach bewegt sich die Optik im normalen Bereich was Sportschießen anbelangt, jedoch im oberen Bereich, was deutsche Jägerinnen und Jäger in der Mehrheit gewohnt sind. Der Objektivdurchmesser ist mit 50mm ausreichend, um bis spät in die Dämmerung oder bei Vollmond zu Jagen. Das ist vor allem auch den mehrfach vergüteten Linsen zu verdanken.

Die Höhen- und Seitenverstellung findet über sogenannte „taktische“ Verstelltürme statt. Diese sind also nicht durch Schraubkappen verdeckt, sondern direkt zugänglich. Die Seitenverstellung lässt sich nach dem Einschießen nullen, so wie auch die Höhenverstellung. Bei dieser ist jedoch besonders, dass diese einen „true Zero-Stopp“, also einen Mechanismus enthält, der ein Überdrehen der Höhenverstellung nach unten verhindert. Durch den harten Stopp ist immer gewährleistet, dass exakt zur ursprünglichen Einstellung zurückgefunden wird. Vor allem in hektischen Situationen ist das ein Vorteil. Dieser lässt sich einfach mittels drei Madenschrauben einstellen.

Der Parallaxenausgleich reicht von 25 Yards bis unendlich. Die Markierungen stimmen soweit ersichtlich mit den tatsächlichen Entfernungen überein. Die Absehenbeleuchtung lässt sich in 10 Stufen justieren und enthält zwischen jeder Stufe ein „off-setting“, so dass es nicht notwendig ist, die Beleuchtung über die niedrigste Stufe auszudrehen. Ein Klick in eine beliebige Richtung reicht, um diese abzuschalten.


Lieferumfang

Im Lieferumfang sind eine Batterie für die Absehenbeleuchtung, ein Inbusschlüssel für die Einstellung der Absehenverstellung, ein Reinigungstuch, jeweils eine Bedienungsanleitung für das Zielfernrohr und für das Absehen, sowie eine Sonnenblende für das Objektiv und Abdeckkappen im Bikini-Stil vorhanden.

ZF ausgestattit mit Sonnenblende, Selfmade-Throw-Lever und Flip-Caps.


Erfahrungen

Jede Einstellungsmöglichkeit an der Optik lässt sich leicht bedienen. Ich hatte aber niemals den Eindruck, dass die Vergrößerung, der Dioptrienausgleich, die Absehenverstellung, der Parallaxenausgleich oder die Beleuchtungseinstellung zu leichtgängig wären und sich z.B. im Futteral durch Zufall verstellen könnten. Auch ein „Freidrehen“, also eine Drehbewegung ohne Widerstand, die oft bei sehr günstigen Optiken vorkommt, konnte ich bisher nicht wahrnehmen. Für mehr Komfort habe ich mir jedoch am Vergrößerungsring einen Throw-Lever Marke Eigenbau, aus einem Break-Away-Coaster, gebastelt. Gerade wenn es mal schnell gehen muss, ist die Bedienung mit so einem Hilfsmittel einfacher.

Die Absehenverstellung klickt gut vernehmbar und rastet spürbar und satt ein. Das ist gerade in der Dämmerung wichtig, wenn die Zahlen auf den Türmen schlecht lesbar sind.

Trotz des tannenbaumartigen Aufbaus des Absehens, wirkt dieses für mich nicht überladen. Die offene Mitte des EBR-2C verhindert, dass kleine Ziele verdeckt werden. Dennoch ist es fein genug, um genau zielen zu können. Die Anhaltemarken ermöglichen eine schnelle Kompensation des Geschossabfalls und des Windes. (Hier die Anleitung zum Absehen: https://vortexoptics.com/amfile/file/download/file_id/249/product_id/1137/ Mein ZF beinhaltet noch das „alte“ EBR-2C-Absehen, das nicht mehr hergestellt wird. Das neue EBR-7C ist ein wenig anders gestaltet. https://vortexoptics.com/media/wysiwyg/ret_vpr-pst_ebr-7c_mrad-5-25x50.jpg)

EBR-2C-Absehen.

Über die optische Qualität der Linsen einzelner Produkte streiten sich die Geister. Keine zwei Augenpaare sind gleich. Vor allem Seh- und Farbsehschwächen verfälschen die optische Wahrnehmung. Auch persönliche Präferenzen spielen in diese mit rein. Deshalb möchte ich hier eine „besser-als-Produkt-XY“-Bewertung nicht vornehmen. Ich kann lediglich für mich feststellen, dass ich persönlich noch nicht durch eine andere Mittelklasseoptik geschaut habe, die mir von der optischen Qualität her besser gefallen hat. Die optische Qualität stellt mich vollkommen zufrieden. (Die gezeigten Bilder spiegeln nicht die tatsächliche optische Qualität wider.)

Rehwild auf ca. 350m.


Für was ist die Optik nicht geeignet? 

Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht, auch wenn Hersteller uns das immer aufs neue verkaufen wollen. Somit kommt auch diese Optik irgendwo an ihre Grenzen. Ein Sauenansitz bei schlechten Lichtverhältnissen ist mit ihr nicht möglich. Auch eine Drückjagd lässt sich mit ihr nicht bestreiten. (Zum Glück für den mir entwischten Keiler.) Für die Waldjagd ist das Zielfernrohr bedingt geeignet. Die schwierigeren Lichtverhältnisse im Forst und die hohe Vergrößerung im unteren Bereich des Glases lassen dieses hinter anderen, klassischeren Jagdoptiken zurückbleiben. Aber für diese Einsatzwecke wurde es auch nicht beschafft.


Fazit

Den von mir intendierten Zweck erfüllt das Vortex voll und ganz. Sichere Schüsse auf weit im Feld stehendes Wild sind damit absolut möglich. Auch für Bergjägerinnen und -jäger, die wahrscheinlich ähnliche Anforderungen an ein Zielfernrohr stellen, wie ich, scheint dies eine gute Alternative. Mit 1.200€ sprengt es jedenfalls nicht das eigene Bankkonto und ist damit für preisbewusste Jägerinnen und Jäger attraktiv. Zudem bietet die VIP-Garantie, die Vortex gewährt, einen lebenslangen Schutz: egal was mit der Optik passiert, sie wird entweder repariert oder ersetzt. (Ausgenommen sind Diebstahl, Verlust oder mutwillige Zerstörung.) Ein Hersteller mit einer ähnlichen Garantie, ist mir bisher noch nicht bekannt.

Disclaimer: Jede(r) ist für ihren/seinen Schuss selbst verantwortlich. Technik kompensiert niemals die eigene Befähigung. Wer sich nicht mit Ballistik und der eigenen Waffe beschäftigt, wird keine waidgerechten Schüsse auf weitere Entfernungen antragen können.