Jede Jägerin und jeder Jäger kennt den Griff zum vertrauten Gewehr. Man hält ein gutes Handwerkszeug in Händen, auf das man sich verlassen kann und das uns schon in vielen Situationen begleitet hat. Der Lauf schießt und der Schaft trifft. Genauso ist es auch beim Messer, erst recht, wenn es um das Abfangen geht.

Jahrelang habe ich sehr günstige Messer geführt, war aber nie ganz zufrieden und schon gar nicht begeistert. Gerade im Wald oder im Getreide könnte ein Messer auch verloren gehen – tatsächlich verloren habe ich aber noch keins.

Dafür habe ich aber viele Situationen erlebt, in denen man Wild schnell und geschickt mit der kalten Waffe abfangen musste. Generell hat die Schusswaffe immer Vorrang, da diese die schnellere und bessere Tötungswirkung hat und der Steuermann mit dem Umgang vertraut ist. Ein Wildtier mit der kalten Waffe zu erlösen, sollte nicht primärer Wunsch, Ansinnen oder Ziel sein. Es ist lediglich die Situation, die Gefährdungen für den Hund, Hunde oder das weitere Umfeld, die dieses Vorgehen erforderlich machen. In solchen Situationen muss jeder Handgriff sitzen und blitzschnell gehen. Schließlich erlebt ein Tier in diesen Momenten (Sekunden), mit dem Feind Auge in Auge und im direkten Kontakt schlimme Qualen.

Gerade beim wehrhaften Schwarzwild, muss das Messer in der Hand liegen als wären Messer und Hand eine Einheit aus einem Stück. Das Messer muss Gewicht haben, darf aber nicht zu schwer sein. Die Klinge muss die Eigenschaften Stabilität und Schärfe besitzen. So manches billiges Messer ist schon abgebrochen. Die Klinge darf nach meiner Meinung nicht vollständig auf beiden Seiten geschärft sein. Die Verletzungsgefahr für den Hund oder die Hunde ist im Abfanggeschehen zu hoch. Wie schnell ändert ein Hund seine Stellung und springt von oben auf das Messer. Deswegen ist nur die Spitze auf beiden Seiten geschliffen, um ein rasches Eindringen in den Wildkörper zu ermöglichen. Auch die Länge ist wie immer so eine Sache. Viele Abfangmesser sind zu lang. Getreu dem Motto: „Umso länger das Messer desto größer die Angst!“. Bitte letzteres nicht auf die Goldwaage legen😉. Respekt vor dem wehrhaften Wild, dem Erlösen einer leidenden Kreatur und dem Wissen um mögliche Risiken sind äußerst wichtig und machen die Hundeführerin oder den Hundeführer sensibel und aufmerksam.

Mein Großonkel Walter Tassius, Förster und Schweisshundführer im Waldschutzgebiet Gatter Edersee, stand mit der Firma Puma im guten Kontakt und Austausch. Er hat mehrere Messer gemeinsam mit Puma entworfen und entwickelt. Dabei standen Funktionstauglichkeit, Wertigkeit und Passion immer im Vordergrund. Im Jahre 1975 entwarf er unter anderem das Messer Rüdemann. Leider ist er im Februar 2007 verstorben.

Zeiten ändern sich und nichts ist so beständig wie der Wandel. Damals zu den Hochzeiten meines Großonkels wurde vorrangig Rot- und Rehwild bejagt. Sauen kamen nur geringfügig vor. Ein Zustand den man sich heute kaum noch vorstellen kann. So sind es doch heute die Sauen, die die Hundearbeit im Wald und die Arbeit der Nachsuchenführer auf den meisten Flächen in Deutschland bestimmen.

Für diese Wildart braucht es ein Messer wie oben beschrieben. Wie es der Zufall wollte, bekam ich über einen sehr guten und angenehmen Kontakt die Gelegenheit das „Rüdemann 40“ weiterzuentwickeln. Ziel war es, die jetzigen Anforderungen unserer schwarzwildreichen Jagd in die Veränderungen einfließen zu lassen. In Zusammenarbeit mit Jagdwelt24 und Puma war die Mitgestaltung dieses Messers für mich ein besonderes Vergnügen und Anliegen.

Schnell erreichte mich das erste Entwurfsmesser angefertigt nach einer Papierskizze. Nach einigen Änderungen führe ich es seit Herbst 2021 im ständigen Einsatz und konnte es bei vielen Nachsuchen und Drückjagden einsetzen. Die Klingenlänge beträgt ca. 19 cm und insgesamt ist das Messer ca. 33 cm lang. Eine Schweißrinne und ein beidseitiger Schliff der Spitze sind hinzugekommen. Die im vorderen Drittel ausgebauchte und etwas dickere Klinge verstärkt die Sauerstoffzufuhr beim Abfangen und ermöglicht ein noch schnelleres Erlösen des Stückes. Auch der Griff ist verändert worden. Insgesamt ist damit die Neuauflage etwas länger und minimal schwerer geworden. In der Praxis konnte ich als passionierte Schweisshundführer und Revierförster mehrere Sauen, Rehe aber auch Rot- und Damwild abfangen. Besonders in Erinnerung ist mir ein weißer, laufkranker Hirsch geblieben. Nach einigen Kilometern Riemenarbeit und Hetze fehlte ich in der Fangschusssituation (warum auch immer!) auf wenige Meter. Nach dem Schuss war mein Hund zu dicht am Stück und der Hirsch wehrte sich. Dann musste das Messer zum Einsatz kommen. Schnell und geschickt fing ich den Hirsch ab und realisierte erst dann, dass mein Fangschuss fehlgegangen war. Ich war erstaunt und zufrieden, wie schnell der Hirsch vom 2. Kopf erlöst war.

Mit diesem Messer verbindet mich etwas, und es wäre gelogen, wenn ich schreiben würde, dass ich es nicht gerne einsetze. „Gerne“ unter der Voraussetzung, dass der Schusswaffengebrauch unmöglich ist und im Sinne eines guten Handwerkzeugs, dem ich vertraue.

Waidmannsheil

Philipp Tassius