Wie wird es wohl sein, das erste Mal selbst zum Ansitz zu gehen? Mit der Möglichkeit, selbst das erste Mal Beute zu machen? Mit diesen und weiteren Gedanken und Fragen beginnt nun nicht nur mein Leben als Jungjägerin, sondern auch gleichzeitig das neue Jagdjahr. Mit dem Jagdschein in der Tasche und viel Motivation im Gepäck steht nun der erste Jagdtag mit Abendansitz auf Rehwild an. Bereits seit dieser Termin in meinem Kalender steht, beschäftigen mich zahlreiche Gedanken zu diesem Thema. Ich überlege, was ich dazu alles in meinem Jägerkurs letztes Jahr gelernt habe und wie sich die Jagd nun in der Praxis gestaltet. Neugier, Respekt und ein wenig Aufregung beschreiben meine Gefühlswelt zu Beginn dieses Tages wohl am besten.

Was ich am Ende dieses Tages erlebt habe und ob ich vielleicht sogar Beute gemacht habe?

Das könnt ihr in den folgenden Zeilen nachlesen.

Heute soll es also losgehen. Das erste Mal so richtig zum Ansitz. Nicht nur wie bisher als Kanzel-Beifahrerin, sondern so richtig mit dem entsprechenden Werkzeug. Freudig aufgeregt treffe ich mittags bei strahlendem Sonnenschein im Revier ein. Bevor es abends zum Ansitz gehen kann, stehen noch ein paar Revierarbeiten auf dem Plan. Und ein spontaner Plan, der sich im Nachhinein als Geniestreich erweisen wird.

Damit geht es dann auch schon los. Noch bevor ich aus dem Wagen aussteigen kann, erhalte ich von Marlon, einem erfahrenen Jäger, erste Anweisungen. Eine kopfstarke Rotte Sauen jeder Couleur hat sich kurz zuvor während der Mittagsstunden in ein nahegelegenes Wäldchen eingeschoben. In der Hoffnung, dass die Bache mit ihren Frischlingen denselben Weg für den Rückwechsel wählen würde, postiert Marlon sich entsprechend an einer Freifläche nebenan, während ich mit seiner Bracke Abby auf der Rückseite des Wäldchens ansetze, um die Sauen wieder auf die Läufe zu bringen. Gesagt - getan! Noch während ich mit Abby an der Schleppleine direkt im dichten Ilexbewuchs hängen bleibe, vernehmen wir zwei Schüsse von der Freifläche. Sekunden später ruft Marlon uns zu, dass wir das Wäldchen schon wieder verlassen können. Auf der Freifläche angekommen, liegt der Frischlingskeiler nach kurzer Fluchtdistanz am Rand der nächsten Dickung. Ein tolles Gefühl, wenn Pläne aufgehen - so ist die Laune besonders gut, als es ans Bergen der Sau geht.

Für mich ergibt sich daraus die Möglichkeit, das erste Mal selbst zum Messer zu greifen und die Sau aufzubrechen, als wir anschließend in der Wildkammer stehen. Neugierig lausche ich Marlon, der mir Schritt für Schritt erklärt, worauf genau es zu achten gilt. Zwar habe ich während meines Jägerkurses schon einige Male beim Aufbrechen zuschauen dürfen, doch jetzt unmittelbar selbst zur Tat zu schreiten ist nochmal eine andere Hausnummer - schließlich möchte ich alles richtig machen. Meine anfangs zaghaften Schnitte werden beherzter und es geht Stück für Stück vorwärts, bis das Keilerchen schließlich in der Kühlung hängt. In diesem Rahmen gehört natürlich ebenso die Entnahme der Trichinenprobe dazu, die ich vornehmen darf, genauso wie die Beschau der Organe auf eventuelle Auffälligkeiten - alles, um sicherzugehen, im Anschluss ein sicheres Lebensmittel zu erhalten.

Alles ganz nach dem Motto learning by doing.

Danach stehen noch einige kleine Arbeiten im Revier an, wie zum Beispiel der Batteriewechsel der Wildkameras. Für mich eine gute Gelegenheit, nicht nur den Umgang mit der Reviertechnik zu üben, sondern auch das Revier besser kennenzulernen. So wechseln einige Batterien fix ihren Platz und wir überprüfen zusätzlich die vorhandenen Kirrungen. Mir gefällt, was ich an diesem Tag alles erleben darf - Jagd bedeutet eben nicht nur, dem Wild mit der Waffe nachzustellen - und diese Vielfalt mag ich. Nachdem wir einige To Dos von der Liste abhaken können, stellt sich bei uns Hunger ein. Eine gute Gelegenheit für eine Pause in der Aprilsonne und eine Stärkung, bevor es am Abend ernst werden soll. Neben einem kleinen Nickerchen in den wärmenden Sonnenstrahlen, nutze ich die Zeit, um mich nochmals gedanklich mit dem auseinanderzusetzen, was auf mich zukommen wird: Vom Angehen des Sitzes über die Handhabung der Waffe, mein Verhalten vor und nach einem Schuss, vom Ansprechen des Wildes bis zur Auseinandersetzung mit meiner Aufregung. Immerhin möchte ich mir davon keinen Strich durch die Rechnung machen lassen.

Allmählich verschwindet die Sonne hinter den Baumwipfeln und die Luft wird spürbar kühler. Langsam wird es Zeit, alles zusammenzupacken und sich auf den Weg zum Sitz zu machen, den Marlon zuvor ausgewählt hat. Am Parkplatz angekommen, merke ich, wie meine Aufregung steigt. Ich ziehe mir noch zwei weitere Pullover über, denn frieren möchte ich heute nicht auch noch. Nachdem alles Wichtige im Rucksack und den Jackentaschen verstaut ist, wechseln wir in den Jagdmodus und ich versuche, meinem Begleiter so geräuscharm wie möglich auf dem Weg zum Sitz zu folgen. Zugegeben, meine Pirschfähigkeit lässt noch ein wenig zu wünschen übrig, aber man braucht ja auch Ziele und Herausforderungen für die kommenden Ansitze. Am Sitz angekommen, richten wir uns ein. Mir bietet sich ein wundervoller Blick auf eine Wiese, umrandet von Wald und Hecken. Gut zu erkennen ist, dass auch Sauen diese Wiese gerne aufsuchen. So ist besonders im unteren Bereich der Wiese viel gebrochen. Doch Sauen sind für mich heute nicht das Ziel, sondern Rehwild.

Zuvor hat Marlon bereits ein Böckchen bestätigen können, das sich sogar in Begleitung eines Schmalrehs befand. Vielleicht sollten wir heute das Glück haben, beide zu Gesicht zu bekommen.

Neben der wundervollen Kulisse soll aber auch alles andere stimmen. Deshalb, und um mir noch ein wenig mehr Sicherheit im Umgang mit der Waffe zu verschaffen, gehen wir die einzelnen Schritte erneut durch: Waffe leise laden, auflegen, die entsprechende Vergrößerung im Zielfernrohr wählen, Waffe spannen, sowie entspannen. Dank der Pufferpatrone kann ich auch mein Abzugsverhalten noch einmal verbessern. Ganz schön viel auf einmal. Und dennoch fühle ich mich danach sicherer und meine anfangs verkrampften Hände werden lockerer, mein Puls beruhigt sich und meine Atmung wird entspannter. Ich wäre dann jetzt bereit.

Begleitet wird dieser Abendansitz von einem tollen Vogelkonzert und dem leichten Plätschern eines Baches, der sich im Hintergrund durchs Gelände schlängelt. Auch hier übe ich mich darin, mich leise und nicht hektisch zu bewegen und dennoch, dotzt es hier und da, als ich das Auflegebrett neu einrichte.

Das Rauschen des Bächleins gibt meinem Mentor die Möglichkeit, eigene Erfahrungen mit mir zu teilen und mir noch einige Tipps mit auf den Weg zu geben. Und dennoch bleibt in dieser Abendidylle auch noch genug Zeit, den eigenen Gedanken nachzuhängen, während man auf Rehwildanblick wartet. Hin und wieder glase ich die Ränder unserer Kulisse ab, während mein Sitznachbar mit der Wärmebildkamera noch einmal genauer hinsieht.

Leider zeigt sich an diesem Abend kein Rehwild auf der Wiese mehr, aber in der Ferne können wir eine Bache mit zwei Frischlingen ausmachen und ein wenig beobachten. Mit dem Verschwinden des letzten Büchsenlichts neigt sich dieser Ansitz seinem Ende zu. Die Waffen werden entladen, Fernglas und Wärmebildkamera sicher verstaut und wir machen uns auf dem Rückweg zum Auto. Das Mondlicht hüllt die Szenerie in ein tolles Licht und begleitet mich auch noch auf dem Heimweg.

Was für ein schöner und erlebnisreicher Jagdtag!

Abschließend kann ich mich nur bei Marlon bedanken - nicht nur für die Chance, mich das erste Mal selbst auf Rehwild anzusetzen, sondern auch für all die wertvollen Tipps und Hinweise, die mir eine gute Hilfestellung auf dem Weg ins Jägerleben sind. Ich denke, es ist nicht selbstverständlich, bereits von Anfang an so großzügig in alles Jagdliche miteinbezogen zu werden. Ich hoffe sehr, dass wir es bald nochmal versuchen können - vielleicht dann, wenn die Temperaturen noch ein wenig wärmer und die Wildaktivität damit auch höher ist. Bis dahin zehre ich von den Erinnerungen an diesen schönen Tag und freue mich darüber, zuvor in der Theorie gelerntes nun auch handwerklich in der Praxis weiter üben und anwenden zu dürfen.