Und am Anfang war… ja was war da eigentlich?

Rückblickend ist es gar nicht so leicht, das Interesse und meine Begeisterung für die Jagd an nur einem Ereignis festzumachen. Da gab es so einige Momente, die mich in diese Richtung geschubst haben.

Tatsache ist, dass ich nicht aus einer Jägerfamilie komme. Vor mir ist in meiner Familie niemand dem Waidwerk nachgegangen oder hatte viel Kontakt mit Grünröcken. Daher waren "die Jäger" für mich auch zunächst eine Spezies Mensch, die nur schwer greifbar war, hatte ich doch nie mit einem von ihnen zu tun gehabt. Zumindest nicht bewusst.

Lange waren "die Jäger" für mich ältere Herrschaften in grünen Lodenmänteln und Hut, mit Dackel versteht sich. Ich bin zwar auf dem Dorf großgeworden, doch sah ich in all der Zeit nie einen Jäger auf einem der zahlreichen Hochsitze rund um unser Örtchen.

Mit dem Interesse an der Jagd hat sich meine Wahrnehmung diesbezüglich sehr verändert. So schmunzle ich mittlerweile in mich hinein, wenn ich auch in der Stadt ein Auto mit Wildträger an der Anhängerkupplung sehe, wenn ich Jagdhunderassen auf der Straße erkenne. Oder wenn aus dem Wald hier und da ein Schuss zu hören ist. Viele sind es dort, wo ich groß wurde, nie gewesen.

Aber nun zu den Momenten, die das Feuer für die Jagd in mir entzündeten und es weiter anheizten…

So richtig sprang der Funke im Alter von 23 oder 24 über. Zuvor hatte ich mit meiner Verwandtschaft oft den naheliegenden Wildpark besucht und war nie um das Streichelgehege mit Damwild herumgekommen. Generell waren mir Wildparks mit heimischen Arten schon immer sympathischer als die ganz großen Zoos. Die regelmäßigen Besuche des kleinen Wildgeheges bei uns um die Ecke, zusammen mit unserem damaligen Familienhund aka. Anti-Jagd-Hund zähle ich ebenso dazu. Mein Herz hatte ich da bereits an die Schwarzkittel verloren und brachte ihnen immer eine extra Packung Wildfutter aus dem Automaten vor Ort mit. Kennengelernt habe ich die Borstentiere als die wilden Schweine, die gefährlich sind. Erlebt habe ich sie aber ebenfalls als unfassbar soziale und intelligente Tiere. Daher lasse ich es mir nicht nehmen, wenn ich mal an einem Schwarzwildgatter vorbeikomme, ein Weilchen Inne zu halten und die Sauen zu beobachten. Ihr Aussehen, ihr Geruch, Ihre Laute, ihre Art…sie sind einfach gänzlich anders als die anderen Wildarten, die wir bei uns so kennen.

Begeistert von unseren heimischen Wildarten und ihrer Ökologie nahm ich während meines letzten Semesters im Bachelorstudium an einem Seminar zu jeglichen Aspekten im Bereich Naturschutz, Umweltschutz, Artenschutz und Tierschutz teil. Und was wurde ich eines besseren belehrt, hatte ich viele dieser Begriffe davon für Synonyme voneinander gehalten. Einer der Vorträge meiner Mitstudis hat mich nachhaltig geprägt und aus dem glimmenden Funken für die Jagd eine richtige Flamme werden lassen. Die Frage, ob Jagd noch zeitgemäß sei spaltete natürlich nicht nur unsere Seminargruppe, sie tut es auch heute noch mit der Gesellschaft und ich werde nicht müde, mir die verschiedensten Meinungen und Argumentationen zu diesem Thema anzuhören.

Am Ende des Seminars waren wir uns einig, dass das Thema Jagd (so wie fast alle anderen Themen dieses Seminars) differenziert betrachtet werden muss. Ja, ich weiß, ein klassischer Satz im universitären Kotext, aber schauen wir uns die Vielfältigkeit der Landschaft allein in Deutschland an oder vielleicht auch weltweit, sind Pauschalisierungen fehl am Platze. Oder betrachten wir den unterschiedlichen Artenreichtum in den verschiedenen Teilen Deutschlands wird klar - Jagd ist nicht gleich Jagd. Nicht mal innerhalb Deutschlands.

Es war, als hätte man eine Tür vor mir aufgestoßen und ich habe hindurchgeschaut und war erstaunt von der Weite dieses Themenfeldes. Rückblickend würde ich behaupten, dass besonders dieses Erlebnis den Anstoß für alles weitere gegeben hat. Ab diesem Zeitpunkt war ich mir sicher, auch einmal das grüne Abitur zu absolvieren und später zu den Menschen zu gehören, die sich von Zeit zu Zeit auf die Holztürmchen und Leitern im Wald setzen würden.

Auf dieses Initiationserlebnis folgten weitere Momente, die Öl in das bereits stabil lodernde Feuer gossen.

Ein weiterer Besuch in einem Wildpark zum Beispiel. Dort gab es nicht nur Streichelgehege für Damwild, sondern das Highlight schlechthin: Ein für Besucher begehbares Schwarzwildgatter. Ein absoluter Traum, der mich im siebten Sauen-Himmel schweben ließ. Zwar war das Streicheln und Füttern der possierlichen Borstentiere aus Sicherheitsgründen untersagt, aber dicht an dicht mit neugierigen Überläufern und Bachen im Herbstlaub zu sitzen gehört schon zu den besseren Momenten.

Zuvor habe ich im Jahr 2020 - kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie - beschlossen, direkt an eine pulsierende Informationsquelle für Jagdinteressierte zu gehen - auf die Messe Jagd & Hund in Dortmund. Es war ein bewölkter Tag, ich hatte mein Ticket bereits ausgedruckt und brach in aller Früh nach Dortmund auf. Und um ehrlich zu sein hatte ich kaum eine Ahnung, was mich erwarten würde. Etwas befremdlich war der Anblick von so vielen Menschen in dunkel- bis olivgrün dann schon. Immerhin gab es in den Messehallen keinen Wald und kalt war es dort mit Sicherheit auch nicht. Aber wie ich relativ schnell lernte, ist es beim Thema Jagd ähnlich wie bei anderen, meist kostspieligen Hobbies: man muss zeigen, was man hat.

Einmal durch das Getümmel der Einlasskontrolle hindurch gewunden offenbarten sich mir diverse Hallen, bis zum Rande gefüllt mit jagdlichem Input. Planlos stromerte ich los. Noch heute weiß ich, es war die Halle 8 und es war die Halle mit all den Anbietern für internationale Jagdreisen, mit präpariertem Großwild aus Afrika und mit dekadenter Werbung für luxuriöse Lodges mitten im Nirgendwo. Das ist also auch Teil der Jagd? Meine Skepsis wurde größer, wollte ich doch nicht auf Großwildjagd in Afrika gehen. Glücklicherweise ließ ich mich, geleitet durch die Menschenmassen, in die nächsten Messehallen schieben und gewann so Eindrücke aus den Bereichen Jagdwaffen, Hochsitze und jagdliche Einrichtungen, Jagdbekleidung und vielem mehr. Hängen geblieben bin ich dann am Stand des DJV, dem Stand der Initiative Lernort Natur und den Ständen diverser Jagdschulen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass mir als Studentin damals die Ohren bei den Preisen für All-inclusive Jagdkurse gehörig zu schlackern anfingen. Jagd ist teuer. Das war eine der ersten Erkenntnisse, die ich aus meinem Leben als Jagdinteressierte mitgenommen habe. Dennoch stand fest, das grüne Abitur würde mein nächstes großes Abenteuer werden. Wo ein Wille ist, ist schließlich auch ein Weg.

Begleitet wurde dieser Tag nicht nur von wildem Informationssammeln, sondern auch von Gedanken und dem Sinnieren über die Frage "Warum möchte ich jagen?".

So stand für mich fest, dass ich langfristig hauptsächlich Fleisch aus eigener Jagd konsumieren möchte, in meiner Fleischversorgung möglichst unabhängig werden möchte und vor allem Fleisch als Lebensmittel mehr Wertschätzung zukommen lassen will - indem ich das Stück Wild selbst jage, selbst versorge und zerwirke.

Zu meinen Souvenirs dieses eindrücklichen Tages gehört die Trophäe eines Jährlingsbocks. Ich weiß…Trophäen werden nicht gekauft. Diese stammte aus einem Nachlass und wurde von einem Präparator nebenbei angeboten. Sie ist nicht einzigartig oder besonders eindrücklich oder extravagant aufgearbeitet - rein sachlich betrachtet. Für mich ist sie aber ein emotionales Andenken daran, wie alles begann. Heute hängt das Gehörn auf seinem Brettchen an meiner Wand, neben meinem Jägerbrief. Und immer wenn ich es erblicke, erinnert es mich daran, dass wir alle klein anfangen. Dass es immer viel zu lernen geben wird. Dass man nichts als selbstverständlich hinnehmen sollte. Und dass man sich gegenseitig - die Jäger und Jägerinnen und das Wild mit Respekt begegnet.

Zurück von dieser - im wahrsten Sinne des Wortes - wilden Exkursion startete am heimischen Schreibtisch die Suche nach einem passenden Kurs, um das waidmännische Handwerk zu erlernen und dem grünen Abitur einen Schritt näher zu kommen. Da wie bereits oben erwähnt mein studentisches Budget nicht allzu groß bemessen war, schieden Kompaktkurse und Komplettpakete an den großen Jagdschulen aus. Um nicht zu weit fahren oder reisen zu müssen, entschied ich mich für den Jungjägerkurs der örtlichen Jägerschaft. Dieser Kurs war nicht nur räumlich gut zu erreichen, sondern auch für meine Verhältnisse erschwinglich. Und so rückte das Jägerleben wieder einen Schritt näher an mich heran.

Der Zeitpunkt für all dies schien recht perfekt zu sein - ohne, dass ich es geplant hätte. Denn kurz bevor der Jungjägerkurs starten sollte, würde ich den Löwenanteil meines Masterstudiums hinter mir haben und den Lernschwung aus der Uni noch für das Erlernen des Waidwerks nutzen können.