Die
Sache mit den Messern ist ja nun eine besondere Angelegenheit. Manche
meinen, ein Produkt für zehn, zwölf Euro tut es zum Verlieren und
fürs nächtliche Aufhämmern des Schlosses im Wildkörper. Andere
sagen mit mahnendem Zeigefinger, unter vier-, fünfhundert Talern
wird man seines Jägerlebens kaum glücklich. Denn wer billig kauft,
kauft zweimal. Daraufhin wird der Günstigstmesserkäufer erwidern:
"Da kann ich sogar 40 Mal kaufen, bis ich ausgegeben habe, was
hier veranschlagt wird!" ... und so weiter, und so fort.
So
oder so ähnlich tagein tagaus geschehen in diversen Jagdforen. Beide Meinungen
haben ihr Maß an Berechtigung, was nicht zuletzt vom Geldbeutel des
Interessenten bestimmt wird.
Erschwerend hinzu kommt, dass der
Markt bei den Messern nicht übersichtlicher wird. Alteingesessene
und renommierte Hersteller, die nur noch Masse und Mist jenseits der
200 Euro produzieren, gleichzeitig teils sehr hochwertige und
qualitativ gute Messer aus Skandinavien und den Staaten, immer neue
und kompliziertere Stahlsorten, aus deren Bezeichnung kein Mensch
mehr schlau wird.
Und irgendwo in den Nischen des Netzes bei
seltenen Anlässen in uralten Threads noch lesbar: Puli, Ungarn,
Handarbeit. Ausschließlich beziehbar über eine ziemlich verstaubt
anmutende Webseite mit eigenartigem Namen und minimalistischem
Webshop, seltener in ebay. Hat man die Seite gefunden und geöffnet, denkt man erst mal,
das muss ein Irrtum sein, das kann nicht sein. Ein vollwertiges
Jagdgebrauchsmesser, stabil, zeitlos, in bester Vollintegralbauweise
und auch noch handgemacht für 130 Euro.
Ich kann aus eigener
und mehr als positiver Erfahrung sagen: Es ist kein Irrtum. Wer ein
Puli hat, "braucht" kein anderes mehr. Hinsichtlich Verarbeitungsqualität und Gebrauchswert spielt es in der oberen Liga. Es gibt vier, fünf
verschiedene Ausführungen, Holz- oder Horngriffe, und inzwischen
tatsächlich vier verschiedene Stahlsorten, zwei davon nur auf Anfrage. Als ich meines gekauft hatte, gab es nur einen
Stahl, nämlich den guten, alten 440C. Von wegen Kydex, Micarta, G10
und Sandwichstahl.
So kam es dann auch überraschend schnell
an, mein Puli B1, mit klassischem Horngriff, kräftigem
Parierelement, einer bombenfesten Lederscheide und einer Qualität,
die sich von und zu schreibt. Es liegt keine Angeberei darin, wenn
ich sage, dass ich persönlich kaum ein vergleichbar durchdachtes und gefertigtes Jagdmesser bis zum mittleren
dreistelligen Eurobereich gesehen habe. Der Mann, der die Messer in
Ungarn macht, tut das den Angaben der Webseite zufolge seit etwa 50
Jahren. Ich glaube das. Wenn er jede seiner Klingen so poliert hat
wie meine, kann er eigentlich nicht mehr viel von seinen Fingern übrig haben.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich beim neudeutschen Unboxing die
Schärfe der Klinge testete und vor mich hinmurmelte: "Alter
Schwede..." Mit einem Streich war eine etwa 4 x 10 cm große
Fläche auf meinem Unterarm enthaart wie nach einem professionellen
Waxing.
Inzwischen, etwa drei Jahre später, wurden mit dem
Messer gute 100 Stück Schalenwild aufgebrochen. Kitze,
Keiler, Hirsche. Die Brotzeiten, die damit vertilgt wurden, würden
für ein mittelgroßes Dorffest reichen. Die Pflege bestand und
besteht im Wesentlichen darin, es nach dem Vesper an der Hose abzuwischen oder nach dem Aufbrechen mit klarem Wasser abzuspülen. Wer jetzt meint, es
schneidet wie am ersten Tag, den muss ich auf den Boden der Tatsachen
zurückholen. Es ist immer noch ein Messer und unterliegt bei
regelmäßigem Gebrauch im und um den Jagdbetrieb einem
naturgegebenen Verschleiß. Ist schließlich kein Lichtschwert. Aber:
Es schneidet immer noch wirklich gut und öffnet jeden Brustkorb mit
ein, zwei kräftigen Rucken. Mit ein Grund für diese hervorragende
Schnitthaltigkeit ist der ballige Schliff der Schneide, die auch
gleich zum einzigen "Nachteil" führt: Diese besondere und
sehr aufwändig zu fertigende Schneidengeometrie kann man mit den
üblichen Mitteln nicht einfach selbst nachschärfen, aus dem
Handgelenk schon dreimal nicht. Also, man kann schon, aber dann hat
man eben keine ballige und polierte Schneide mehr. Das bleibt dem
Anwender dann selbst überlassen.
Ich persönlich werde mein Exemplar im
Anschluss an die diesjährige Drückjagdsaison nach Ungarn zum
Nachschärfen schicken, und ich bin überzeugt, dass ich bei der
anschließenden Schärfeprüfung wieder murmeln werde: Alter
Schwede...
Das Ende vom Lied: Wer ein qualitativ
hervorragendes, schmuckloses Gebrauchsmesser möchte und etwas Geld
übrig hat, kann bei Puli ohne Bedenken zugreifen. Verlinken werde
ich hier nichts, googeln kann jeder selbst. Es werden vielleicht die
am besten investierten 130 Euro des Jägerlebens sein. Bei mir war es
so.
Abschließend
noch die harten Fakten zum Puli B1 mit Hirschhorngriff: Gesamtlänge
22,5 cm, Klingenlänge 11 cm, Klingenstärke 3,8 – 4 mm, rostfreier
Stahl 440C, Handarbeit, balliger Schliff, Vollintegralbauweise.
Aktueller Preis inkl. Lederscheide und Versand 130,- Euro,
ausschließlich zu beziehen im Internet.
Es grüßt und
wünscht euch Waidmannsheil,
Euer Schnucki
Kommentare
Super interessant, da ich mir bald ein neues Jagdmesser zulegen will. Geplant war eigentlich das Fällkniven f1, aber das hier vorgestellte ist doch auch eine Überlegung wert.
Danke für den Bericht