Im Zuge der Bockjagd stellt sich immer wieder die Frage nach dem richtigen Aufbrechen. Direkt im Revier oder erst in der Wildkammer? Wir haben uns einen echten Profi ins Boot geholt, um dieser Frage nachzugehen und präsentieren den ersten Teil unserer Reihe „„Rehwild professionell versorgen“. Darin zeigen wir, wie man das erlegte Reh richtig aufbricht.

Aufbrechen in der Wildkammer

Das Rehwild in der Wildkammer aufzubrechen ist laut Zerwirkprofi Thorsten Wagner die ideale Vorgehensweise, da es einfacher und vor allem hygienischer ist. Jagden im Hochgebirge oder die Drückjagd stellen Ausnahmen dar. Hier findet das Aufbrechen direkt im Wald oder am zentralen Aufbrechplatz oder direkt im Wald statt. Die natürliche Darmbarriere bricht etwa 45 Minuten nach der Erlegung zusammen, das heißt das Rehwild muss bis zu diesem Zeitpunkt unbedingt aufgebrochen sein.

Die Rehe bringt Thorsten ganz klassisch an den Vorderläufen in Strichrichtung des Fells zum Auto. Bei steilem oder hindernisreichem Gelände kann ein Hilfsgurt nützlich sein.

Für den Transport empfiehlt Thorsten einen Heckträger auf der Anhängerkupplung. Geruch und Schmutz bleiben so draußen und man muss das Rehwild nicht so hoch heben. Fixiert wird das Rehwild dann mit dem Spanngurt und es geht direkt in die Wildkammer. Dort ist es hell, das Aufbrechen gestaltet sich ergonomischer und man hat vor allem fließend Wasser und alle Werkzeuge, die man braucht.

Aufhängen und Ringeln

Zum Aufbrechen eignen sich klassische Jagdmesser mit massiver Edelstahlklinge und Kunststoffgriff – wer es traditioneller mag, kann auch zu Hirschhorn-Griffschalen greifen. Thorsten schneidet zuerst zwischen Sehne und Knochen der Hinterläufe, um das Reh dort aufhängen zu können. Der Kopf zeigt dabei nach unten, damit der Schweiß nach unten ablaufen kann. Sobald das Reh richtig hängt, geht die eigentliche Arbeit los: das Ringeln. Ringeln hat positive Effekte auf die weitere Wildbretverwertung und letztlich die Qualität des Wildbrets – deswegen ist es empfehlenswert zu ringeln.

Thorsten benutzt entweder das normale Messer oder eine Ringelhilfe aus Edelstahl. Dann packt er das Reh beim Wedel und führt die Ringelhilfe tief in das Waidloch ein. Soweit bis die Zacken sich im Enddarm verhaken. 

Keine Sorge, die Blase kann dabei nicht durch die Ringelhilfe verletzt werden. Nun die Ringelhilfe wie eine Art Korkenzieher drehen, wobei sich das Bindegewebe zwischen Darm und Becken löst. Jetzt könnt ihr den Darm etwa 10 cm herausziehen.

Bevor ihr den Enddarm abschneidet, rät Thorsten die Losungsperlen zu entfernen. Anschließend könnt ihr den Darm wieder zurück durch das Loch in den Beckenkanal schieben. Diese Vorgehensweise ist ideal, weil das Schloss nicht aufgebrochen werden muss und man nicht riskiert, das Wildbret zu verletzen und zu verschmutzen. Zudem trocknet das Fleisch durch diese Prozedur nicht aus, was wiederum zuträglich für Qualität und Optik des Wildbrets ist.

Jetzt wird das Kurzwildbret (Geschlechtsteile beim männlichen Schalenwild) vorsichtig abgeschärft, ohne dabei die Bauchdecke zu verletzen. 

Dann öffnet Thorsten die Bauchhöhle und fährt mit der Messerspitze direkt unter der Bauchdecke hinab, bis zum Ansatz des Brustbeins. Mittel- und Zeigefinger liegen dabei unter dem Rücken der Messerklinge, um zu verhindern, dass die Messerspitze das „drückende Gescheide“ verletzt. Sobald man am Brustbein angelangt ist, kann das Gescheide hinter dem Zwerchfell ausgeräumt werden (Pansen, Magen, Milz, Blase und Därme). Oft fällt das Gescheide durch die Schwerkraft schon alleine heraus. Die Nieren bleiben im Körper, um die Filetspitzen vor Austrockung zu schützen.

Im letzten Schritt den Schlund zwischen Magen und Zwerchfell zusammendrücken und abschneiden. 

Der komplette beschriebene Vorgang lässt sich im Stehen und in der Wildkammer wesentlich leichter durchführen als im Revier. Außerdem kann man das Wild so direkt auf Veränderungen oder Auffälligkeiten hin untersuchen.

Sauber aufgebrochen durch Ringeln

Hier sieht man den Vorteil des Ringelns. Sauberer kann Rehwild kaum aufgebrochen werden. Das Schloss ist intakt und durch die verbliebenen Nieren ist die Austrocknungsgefahr auf ein Minimum reduziert.

Wer keine Ringelhilfe hat, kann auch ein Jagdmesser verwenden. Hierbei zieht man den Enddarm ein Stück heraus und schneidet ihn dann von außen eng um das Waidloch herum ab.

Sobald die Bauchhöhle leer ist, wird der Brustkorb geöffnet. Entweder mit dem Jagdmesser und Krafteinsatz oder mit der Knochenschere. Eine Knochenschere ist vor allem bei älteren Stücken empfehlenswert, bei denen bereits verhärtete Knochensubstanz vorkommen kann. Man kann nun direkt über das Brustbein hinaus die Kehle bis zum unteren Kinn aufschärfen.

Durch den geöffneten Brustkorb lassen sich nun Leber, Lunge und Herz entnehmen (bzw. die Reste nach dem Schuss). Dann werden Drossel und Speiseröhre mitsamt Lecker herausgezogen. Selbstverständlich muss man die Innereien nicht wegwerfen, sondern kann sich daraus ein leckeres Mahl zubereiten.

Reinigen

Jetzt geht es ans Saubermachen. Durch den Wasseranschluss und einen Schlauch mit dosierbarer Düse lässt sich das Rehwild einfach und effektiv ausspülen. Die Wildkammer lässt sich auf diese Weise auch schnell und bequem reinigen.

Abhängen

Nach dem Aufbrechen kommt das Stück in die Kühlkammer zum Auskühlen. Dort bleibt es ca. 3 Tage bei 6 Grad. Dann kann man das Rehwild abziehen und zerwirken – die Anleitung dafür gibt es in Teil 2 der Reihe.