Die Ruger Gunsite Scout Rifle (RGSR) wurde hier bei geartester.de zum ersten Mal Ende 2016 von @campfire vorgestellt

Weitere empfehlenswerte Informationsquellen zur RGSR und Scoutrifle im Allgemeinen sind

www.scoutrifle.org – DAS Forum für Scoutrifle Enthusiasten

• „The Scout Rifle Study“ von Richard Mann, 2018

www.waffenkultur.com , Ausgaben 01 und 19

Ich führe die Waffe jetzt seit drei Jahren in der Ausführung mit 16,5“ Lauf brüniert mit Synthetikschaft. Montiert ist das Burris 2-7 Scout Scope, und ein Biothane Rhodesian Sling. Vor einigen Wochen habe ich von einem Harris-Zweibein auf einen Spartan Bipod umgerüstet. Den Ruger-Abzug habe ich durch einen Timney ersetzen lassen.

Den oben genannten Berichten möchte ich nun mein persönliches Fazit hinzufügen.

Mag ich die Scout?

Oh ja. Sehr! Kennt ihr dieses Gefühl, dass man manche Waffen einfach gerne führt, gerne in die Hand nimmt? Die RGSR ist für mich eine solche Waffe. Sie ist (für eine amerikanische Fabrikwaffe) sauber verarbeitet, sie ist massiv und stabil und dabei leicht und handlich.

Wie lässt sich die Scout handhaben?

Sehr robust. Ruger hat unser gutes, altes 98er System als Vorlage genommen. Das merkt man. Wirklich handlich ist sie durch das kurze System, ausgelegt für die .308 und andere Kurzpatronen. Repetieren im Anschlag ist also überhaupt kein Problem. Wie auch die 98er läuft das System mit etwas Spiel und nicht so seidenweich wie zum Beispiel eine Sauer. Was definitiv geholfen hat waren mehrere hundert (mittlerweile sicher über 1.000) Repetierzyklen bei Trockenübungen. Nicht nur lernt man auf diese Weise die Waffe auch im Dunkeln jederzeit sicher zu handhaben. Auch läuft sich das System ein und wird geschmeidiger.

Die Waffe ist mit etwas über 3 kg recht leicht und angenehm zu tragen. Der kurze Lauf spielt in Kanzeln und im dichten Wald seine Vorteile voll aus. Auch auf der Bewegungsjagd und im Kino lässt sich die Waffe super führen, wenngleich sie nicht ganz so geschmeidig schwingt wie eine etwas längere Waffe. Der Rückstoß der .308 fühlt sich, nicht zuletzt wegen der weichen Schaftkappe, sehr moderat an.

Auch bei der Maisernte und bei schlechtem Wetter äußerst führig und praktisch

Wie funktionieren die Magazine?

Im Gegensatz zum Original und den vielen 98er Nachbauten nutzt die RGSR externe Magazine. Die Waffe kommt mit einem 10-Schuss Metallmagazin. Ich habe mir je zwei weitere Magazine á 3 Schuss und á 5 Schuss gekauft. Diese sind aus stabilem Hartplastik. Das mag ich, weil sie viel leiser als das Metallmagazin sind. Leider lässt sich nur das 3-Schuss Magazin „bündig“ einsetzen. Bündige Magazine finde ich führiger: Man kann die Waffe so zum Beispiel sehr gut um das System herum greifen oder leichter auf der Auflage (Kanzelbrüstung oder Rucksack) verschieben. Für Ansitz und Pirsch ist diese 3+1 Version sicher völlig ausreichend. Für die Drückjagd nutze ich dann die 5-Schuss Magazine.

Hier war das 3-Schuss Magazin schnell leer und ich habe das 5er nachgeladen

Der Vorteil der Magazine ist die Kompatibilität mit amerikanischen Standardmagazinen. Ein Nachteil ist aus meiner Sicht die schlechte Raumausnutzung. Die Magazine der Ruger American zum Beispiel sind ungefähr so groß wie die 3-Schuss Magazine der RGSR, fassen aber 4-5 Patronen.

Ein Detail, dem selten Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist die Möglichkeit der RGSR die Patronen sowohl kontrolliert (controlled round feed – CRF) als auch lose (push feed) zuzuführen. Jeder Besitzer eines 98er weiß, dass sich eine Patrone nur zuführen lässt, wenn sie in die oberste Position des internen Magazins eingedrückt wird. Nur so kann die Kralle des Ausziehers um den Hülsenboden greifen. So lässt sich ein 98er zum Beispiel auch über Kopf laden, denn die Patrone ist jederzeit fest im Griff des Ausziehers (controlled round feed). Bei vielen anderen Systemen wird die Patrone vor dem Schloss hergeschoben und der Auszieher greift erst um den Patronenboden, wenn die Patrone im Lager liegt (push feed). So kann man einzelne Patronen einfach lose in die Kammer legen und diese schließen, das geht mit etwas Übung sehr schnell. Versucht man das mit einem echten CRF System wird man feststellen, dass sich die Kammer nicht schließen lässt: weil eben die Auszieherkralle nicht um den Patronenboden greifen konnte.

Meine RGSR kann beides. In seinem vorne zitierten Buch schreibt Richard Mann, dass ca. die Hälfte der Ruger 77 Systeme reine CRF Systeme sind und die andere Hälfte auch push-feed zulässt. Welches System man geliefert bekommt, ist aber angeblich Zufall und wird durch Fertigungstoleranzen bei der Auszieherkralle und den Hülsen erklärt.

Wie schlägt sich das Scout Zielfernrohr in der Praxis?

Das Scout-Scope ist für mich die größte Schwachstelle des gesamten Scout Setups.

Grundsätzlich ist die Idee des „forward-mounted“ scopes genial: Man kann das Ziel mit Vergrößerung anvisieren und behält trotzdem eine weite Rundumsicht (field of view). Außerdem ist die Kammer jederzeit frei zugänglich. Das hilft nicht nur bei einer potenziellen Störungsbeseitigung, sondern ermöglicht auch ein ganz einfaches Nachladen von oben. Das finde ich sowohl auf dem Schießstand als auch im Revier praktisch, falls das 3-Schuss Magazin doch nicht ausreicht. Zu guter Letzt lässt sich die Waffe mit dem vorne montierten ZF gut um das System herum greifen. Wie bereits erwähnt, trage ich die Waffe so ganz gerne. Ich würde daher sagen, dass das Scout Scope die Vorteile eines ZF mit denen eines vorne montierten Rotpunktvisiers vereint.

Wo ist also das Problem? Scout Scopes mit großem Augenabstand sind ein ziemliches Nischenprodukt und werden nur von wenigen amerikanischen Herstellen in einer Preisklasse von $200-500 angeboten. Und in dieser Preisklasse kann leider niemand die optische Qualität produzieren, die wir von unseren Herstellern hier in Europa gewöhnt sind. Tagsüber bei gutem Licht, im Kino oder auf dem Schießstand ist alles super. Ich jage aber nun mal oft an den Tagesrandzeiten und da ist mit einem Scout Scope einfach viel früher Schluss.

Kein Licht für ein Scout-Scope

Also ein „normales“ Zielfernrohr drauf? Das ist kein Problem. Die RGSR kommt mit zwei zölligen Ringen, 30mm Ringe sind leicht zu beschaffen. Dann muss aber die Ghost-Ring Visierung weichen und die oben genannten Vorteile sind dahin. Dafür braucht man dann keine Scout mehr. (Es sei denn, man hat sie sich gekauft, um die lange Schiene für ein Vorsatzgerät zu nutzen.)

Was hat es mit dem Schießriemen auf sich?

Der Name sagt es schon. Der von mir genutzte Rhodesian sling (oder andere Varianten wie CW- oder Ching-Sling) sind keine reinen Trageriemen, sondern Schießriemen. Ich finde es interessant zu beobachten, mit wie viel Entwicklungs- und Marketingaufwand hier bei uns zu Lande Schieß- und Zielstöcke in allen Farben und Formen angeboten werden. Was bitte soll ich denn noch alles auf die Jagd mitschleppen? Schießriemen spielen auf dem deutschen Markt kaum eine Rolle. Aus meiner Sicht zu Unrecht, denn auch sie stabilisieren den Anschlag der Waffe signifikant und tragen damit zum präziseren Schießen bei. Und das nicht nur im Stehen, sondern auch im Hocken, Sitzen oder Liegen. Wer mehr darüber erfahren möchte kann sich auf eine einfache Internetsuche begeben oder bei www.andysleather.com umsehen. Er verkauft seine Riemen auch über Brownells in Europa.

Hier hatte ich einen Fuchs mit Hilfe des Schießriemens erlegt

Braucht eine Scout-Rifle ein Zweibein?

Laut Jeff Coopers Definition nicht zwingend. Ich habe die RGSR sowohl mit als auch ohne Harris Zweibein geführt. Eines ist mir dabei klar geworden: Eine stabile Waffenauflage ist unabdinglich. Meistens habe ich auf der Jagd auch einen Rucksack auf dem Rücken und der ist eine prima Auflage. Dann demontiere ich das Zweibein bereits vor der Jagd mit wenigen Handgriffen, denn es ist mir eigentlich zu schwer und klobig. Der Rucksack als Auflage funktioniert für mich, solange ich mich meinem Ziel auf zwei Beinen nähern kann. Dann kann man den Rucksack gut abnehmen und sich zurechtlegen. Sobald ich mich dem Wild aber auch allen Vieren oder gar robbend nähern muss, ist der Rucksack unpraktisch und das Zweibein die bessere Wahl. Da ich vor der Jagd aber natürlich nicht weiß, in welche Situation ich komme, habe ich mir jetzt ein Zweibein von Spartan zugelegt. Dieses lässt sich per Magnet befestigen. Wie es sich in der Praxis schlagen wird, kann ich noch nicht sagen. Die Montage war aber sehr einfach und es macht einen hochwertigen Eindruck.

Besonders wenn man die Waffe beim Kriechen vor sich trägt, ist ein Zweibein praktischer, als ein Rucksack

Mein persönliches Fazit

Die Scout-Puristen würden bemängeln, dass Ruger mit der RGSR nicht alle Anforderungen an eine echte Scout Rifle erfüllt. Die Spezialisten würden sagen, dass es für bestimmte Jagdarten bessere Waffen gibt. Und ich würde ihnen allen Recht geben. Aber sie ist eine tolle Allroundwaffe mit der ich in den letzten drei Jahren alle jagdlichen Situationen (bis auf Nachtjagd) gemeistert habe. Und ich verspüre jedes Mal eine echte Freude, wenn ich sie aus dem Schrank nehme. Wenn ich nur noch eine Waffe haben könnte, wäre es wahrscheinlich meine RGSR.

Tipps aus der Praxis

Die nachfolgend genannten Punkte haben sich für mich bezahlt gemacht und ich empfehle sie dringend weiter. Vieles gilt natürlich auch für andere Waffen als die RGSR:

- Übt regelmäßig trocken! Mit oder auch ohne Pufferpatronen. Hauptsache ihr nehmt die Waffe regelmäßig in die Hand, in den Anschlag, repetiert und betätigt den Abzug. Es macht Euch in der Handhabung sicherer und damit auch später auf der Jagd.

- Übt im Kino und auf dem Schießstand. So lässt sich auch am besten herausfinden, welche Sorte Munition die Waffe am besten verschießt.

- Kauft Euch Ersatzmagazine aus Plastik in 3- und 5-Schuss Ausführung

- Kauft Euch einen echten Schießriemen und übt damit. Der ein oder andere wird positiv überrascht sein