Wenn man die ein oder andere Diskussion hier liest fällt unweigerlich auf, dass Diskussionen um Munition und seine Wirkung (speziell bei der Diskussion um bleifreie Munition) häufig von Emotionen geprägt sind und selten objektiv, sondern vielmehr basierend auf teilweise unerklärlichen Einzelerfahrungen geführt werden. Um die Diskussion ein wenig zu versachlichen und vielleicht ein paar Denkanstöße zu bieten habe ich mein gefährliches Halbwissen einmal aufbereitet.


Theoretische Ansätze

Zuerst einmal muss man definieren, dass die Wirkung im Wildkörper sich mit der in den Wildkörper abgegebenen Energie gleichsetzen lässt. Demzufolge rechnet man die Energie vor dem Auftreffen auf den Wildkörper (vereinfacht E100) abzüglich Energie des austretenden Projektils. Bleibt das Projektil stecken hat es demnach 100% der Energie abgegeben. Da es sich um Bewegungsenergie handelt spricht man auch von kinetischer Energie (das ist nur wichtig, wenn man sich weitergehende Infos er-googlen möchte). Ich werde, um die Verständlichkeit hoch zu halten, die mathematische Grundlage sehr kurz halten. An der einen Formel zur kinetischen Energieberechnung komme ich jedoch nicht vorbei. Die Formel dazu ist:

Wkin = 1/2m * v^2

v= velocity (also Geschwindigkeit)

m= mass (also Masse/Gewicht)

Das Wechselspiel zeigt auch, dass ein Geschoss zumindest den rein energetischen Unterschied durch höhere Geschwindigkeit leicht ausgleichen kann. Dies wird insbesondere bei dem Unterschied zwischen bleihaltigen (zumeist höhere Masse und etwas weniger Geschwindigkeit) und bleifreien (zumeist geringere Masse und höhere Geschwindigkeit) Geschossen interessant. Deutlich wird hierbei auch, dass die Energie deutlich mehr von der Geschwindigkeit, als von der Masse abhängt. Wichtig ist zum Verständnis auch, dass Blei bei gleichen Geschossmaßen durch seine höhere Dichte (Gewicht pro Volumen) mehr Gewicht ins Ziel bringen kann.

Davon auszugehen, dass ein schnelles und leichtes Geschoss jedoch die gleiche Wirkung zeigt, wie ein langsames und schwereres ist nicht weit genug gedacht, da die Effektivität eines Geschosses vor allem von der Fähigkeit abhängt, Energie im Wildkörper abzugeben, sprich die Geschwindigkeit im Wildkörper zu verringern. Die Energieabgabe ist immer abhängig von der der kinetischen Energie entgegengesetzen Kraft - also dem Widerstand des Wildkörpers. Folglich ist entscheidend, wie das Geschoss den Widerstand nach dem Auftreffen auf das Ziel erhöhen kann. Um das zu erreichen gilt es nur die der Bewegungsrichtung entgegengestellte Oberfläche zu vergrößern, da sich der Wildkörper und seine Widerstandswerte nicht verändern lassen. Neben klassischer Deformation kann auch Zerlegung die Oberfläche und somit die Reibungskoeffizienten vergrößern. Der Unterschied des Widerstands im Wildkörper zwischen Rehkitz und grobem Keiler sollte jedem Jäger klar sein und zeigt die eigentliche Herausforderung der Geschosse.

Daraus ergibt sich auch, dass ein großes, massehaltiges Geschoss unabhängig vom Wildkörper leichter Wirkung zeigen kann als ein kleines leichtes Geschoss. Hinzu kommt die Härte der unterschiedlichen Geschosse, die eine Oberflächenvergrößerung durch Verformen begünstigen oder dieser entgegenstehen kann. Die präzise Abstimmung der Mischung definiert zudem, ob das Restgewicht eines Geschosses ausreicht, um das hintere Ende des Wildkörpers zu erreichen und zu durchbrechen, um somit Ausschuss zu gewährleisten und wie viel Restenergie das austretende Geschoss noch hat (auch vor dem Gedanken der Hintergrundgefährdung und Abprallgefahr).


Von der Theorie zur Praxis

Doch was bedeutet das konkret für uns bei der Jagd? Wir benötigen Geschosse die zum Einen schnell ansprechen bei schwachem Wild und ihre Oberfläche früh und bereits bei geringem Widerstand vergrößern um kinetische Energie im Wildkörper abzugeben. Und andererseits benötigen wir Geschosse, die gleichzeitig genug Energie haben, um diesen vollkommen vergrößerten Körper zumindest teilweise durch den vollständigen, potenziell auch großen und stabilen, Wildkörper zu treiben. Hier wird bereits deutlich, wo Nachteile bleifreier Munition aktuell liegen. Durch die geringere Masse muss das leichtere Geschoss zur Erreichung der gleichen Energie schneller beschleunigt werden. Folglich müsste das Geschoss sich mehr verformen (ausbreiten), um die Größe und somit den Widerstand zu erreichen, der ausreicht um das Geschoss entsprechend im Wildkörper zu bremsen, um wiederum die zusätzliche Geschwindigkeitsenergie abzugeben. Gleichzeitig sind bleifreie Geschosse jedoch in aller Regel härter und somit formstabiler. Die Folge ist, dass das Geschoss deutlich später anspricht und sich verformt und daher auch erst bei starkem Wild die erhoffte volle Wirkung zeigen kann. Bei schwachem Wild neigen bleifreie Deformationsgeschosse zu Wundbildern, die Solids (Vollmantelgeschossen) entsprechen. Gleichzeitig ist durch den geringeren Widerstand und Energieabgabe auch die Schockwelle, die sich durch den Wildkörper bewegt kleiner und daher auch die Augenblickswirkung. Die daraus resultierenden, oft längeren, Fluchtstrecken sind der Hauptgrund für die Unzufriedenheit mit vielen harten bleifreien Geschossen.

Schlussendlich gibt es auch noch einen Unterschied im Bereich der Hämatombildung. Zwar haben diverse Faktoren einen Einfluss hierauf und eine wissenschaftliche Auseinandersetzen mit dem Thema hat sich bis dato als nicht fruchtbar erwiesen. Es verdichten sich jedoch die Hinweise, dass entgegen der landläufigen Meinung die Hämatombildung in keiner direkten Abhängigkeit zur Geschwindigkeit eines Geschosses, als vielmehr mit seiner Härte in Verbindung stehen. Es sollte hierbei jedem klar sein, dass je weiter ein Stück nach dem Anschuß laufen kann, desto mehr Blut wird auch vom Ein- und Ausschuß unter die naheliegenden Hautpartien gepumpt. Je geringer die Augenblickswirkung (die durch eine Schockwelle im Körper ausgelöst wird) ist, desto größer wird somit die Gefahr von Hämatombildung.

Eine Alternative können Teilzerleger abbilden, die einen definierten Teil des Projektils zerlegen und dadurch die Oberfläche und Energieabgabe schaffen, während ein anderer Teil ohne große Energieabgabe den Wildkörper für Ausschuss durchbricht. Die Wildbretzerstörung ist durch den noch breiteren Schußkanal bei Zerlegungsgeschossen jedoch ebenfalls größer. Eine weitere, bereits oft genutzte, Alternative sind Hohlspitzgeschosse, die oft mit einer ballistischen Spitze versehen sind um die außenbalistischen Eigenschaften zu verbessern. Hier besteht von vorne herein eine etwas größere Oberfläche, die weiter aufpilzen kann. Die Härte entscheidet jedoch auch hier am Ende über die Geschossoberfläche und Wirkung.


Schlussfolgerung

Als Fazit aus der Betrachtung lässt sich sagen, dass durch die geringere Masse und die gleichzeitig höhere Härte bleifreie Geschosse einiges an Know-how benötigen werden und deutlich mehr an Veränderung mitmachen müssen, um die Low-Tech Vorteile eines bleihaltigen Deformationsgeschosses nachbilden zu können und somit die gleiche Tötungswirkung und Anwendungssicherheit zu erreichen. Die reine Erhöhung der Geschwindigkeit als Ausgleich zur geringeren Masse reicht nicht aus, um befriedigende Ergebnisse in der Augenblicks- und Tötungswirkung zu erreichen. Während schweres Wild und Knochentreffer auch mit bleifreien Geschossen zu brauchbaren Ergebnissen führen können, sind Schüsse auf schwaches Wild oder auf Wild unter hohem Adrenalinspiegel mit bleifreier Munition häufiger von Ergebnissen geprägt, die nicht zufrieden stellen. Hier haben (noch) bleihaltige Laborierungen die Nase vorne. Sollte man nicht gezielt auf eine Wildart ansitzen und einen Allrounder suchen wird man bei bleifreien Geschossen demnach potenziell höhere Wildbretzerstörung durch direkte Blattschüsse und Teilzerleger in Kauf nehmen müssen. Ergänzend lässt sich sagen, dass höherpreisige Munition jedoch bereits heute auch mit Wismut und Doppelkernen Ansätze bietet, die in die richtige Richtung zeigen.